Das Hochstapler-Syndrom – Selbstzweifel im Job überwinden

 

Meine Erfolge fühlten sich falsch an – War alles nur Glück?

In mir wurde es immer stiller. Die Kollegen strahlten um die Wette im monatlichen Salesmeeting. Sie strotzten vor Selbstvertrauen und sie feierten.

Meine Selbstzweifel und meine Unsicherheit wurden von Minute zu Minute größer. Was hatte ich hier verloren? Die anderen sind einfach besser als ich.

Seit fünf Monaten war ich bei diesem Unternehmen. Es war um das Jahr 2000 herum. Die Internetbranche boomte und ich war bei einer damals führenden Onlinejobbörse im Vertrieb.

Zum ersten Mal wurde ein Monatsumsatz von über 2 Mio. € mit dem Team erzielt.

Eine ältere Kollegin sagte zu allen in meine Richtung gewandt: „Oh, wie süß. Schaut mal wie verlegen er ist.“.

Vor Scham wäre ich fast im Boden versunken. Aber warum hat sie das gesagt?

Kurz vorher wurde ich aufgrund meiner Vertriebserfolge vom Account Manager zum Key Account Manager befördert. Höheres Gehalt und größerer Firmenwagen. Meine Probezeit wurde vor Ablauf beendet.

Davor hatte noch niemand in so kurzer Zeit die Umsatzkriterien erfüllt, um in eine höhere Position aufzusteigen.

„Das war doch nur Glück“ dachte ich und fühlte mich klein. Meine Gedanken kreisten. Es wird irgendwann auffallen, dass ich nicht so gut bin, wie ich grade dargestellt wurde. Es war meine feste Überzeugung.

Ich musste perfekter und besser werden. Es war wichtig noch mehr zu arbeiten. Das war mein verschobener Blickwinkel.

Meine Jobs wechselte ich oft, damit niemanden meine eingebildete Unfähigkeit auffiel. Bloß rechtzeitig weg.

Obwohl ich in fast allen Jobs im Vertrieb zu den besten Mitarbeitern gehörte, blieben meine Selbstzweifel und meine Meinung als Hochstapler entlarvt zu werden. 

    Mein Drang nach Perfektion und hohen Ansprüchen

    Damit niemand erkannte, dass ich voller Selbstzweifel war, wollte ich noch perfekter sein. Nur hatte die Sache einen Haken. Es wurde nie etwas wirklich fertig.

    Stattdessen türmte sich ein Berg von Aufgaben vor mir und in meinem Kopf auf. Perfektion äußerte sich bei mir auch durch zu hohe Ansprüche an mich selbst.

    Dabei glaubte ich, dass ich auch viele Aufgaben auf einmal erledigen konnte. Und selbstverständlich sollte jede Aufgabe wiederrum perfekt sein.

    Das konnte nicht funktionieren. Meine Überlastung nahm zu und auch die Fehlerhäufigkeit. Damit steigerten sich die Selbstzweifel nochmehr. Das Rad, dass ich in Gang gebracht hatte, drehte sich immer schneller. 

    Hochstapler-Syndrom

    Gute Leistungen und Ergebnisse funktionieren so nicht

    Eines sollte jedem von uns bewusst sein. Überlastung, übertriebener Perfektionismus und zu hohe Anforderungen an uns selbst oder an Mitarbeitende, können dauerhaft nicht funktionieren.

    Eine Maschine die ständig über ihr Limit läuft, wird früher oder später auch defekt sein. Die Reparatur kann teuer und langwierig sein.

    Bei uns Menschen ist das nicht anders. Wenn das Glas mit Wasser gefüllt ist, kann es nur noch überlaufen.

    Was ich damals falsch gemacht habe? Ich habe nicht mit anderen Menschen darüber gesprochen. Woher sollten meine Führungskräfte wissen, was mit mir los ist? Für sie war ich vermutlich irgendwann nur der ständig gestresste und wenig belastbare Mitarbeiter, der dann auch noch oft schlecht glaunt war.

    „Mentale Gesundheit und Erfolg schließen sich nicht aus. Mit dem richtigen Tempo mehr erreichen.“

    Der Weg heraus – Auch mit Unterstützung von Führungskräften

    Vertraue dich an, wenn du starke Selbstzweifel hast oder meinst ein Hochstapler zu sein. Führungskräfte sollten offen sein und zuhören. Verurteilt eure Mitarbeitenden nicht gleich. Stülpt nicht noch mehr Aufgaben über sie und behaltet den Blick für die Bedürfnisse der Menschen, die in eurem Team sind.

    Schafft eine Atmospähre von Vertrauen. Jeder kann mal Phasen haben, in denen es einem nicht gut geht. Dann sollte man nicht auch noch Angst vor Druck oder sogar Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes haben.

    Unsere Gefühle können uns einen Streich spielen. Sieh dir deshalb die Tatsachen an. Ist deine Leistung wirklich nicht gut oder spielt sich dieser Gedanke nur in deinem Kopf ab? Schreibe doch mal auf, was du alles bei der Arbeit erreicht hast und was du täglich machst. Schaffe dir Klarheit auf einem Stück Papier.

    Gestehe dir ein, dass da diese Gefühle voller Selbstzweifel sind. Das ist der erste Schritt, um etwas dafür zu tun, dass du mehr Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten gewinnst. Dränge diese Gedanken nicht einfach weg. So funktioniert das leider nicht. Arbeite an den Ursachen. Sei nicht verzweifelt. Es ist die Chance auf eine neue Sichtweise auf dich und deine Umgebung.

    Versuche dir eine neue positive Realität zu schaffen. Frage dich, ob das wirklich so ist, was du grade denkst. Wie würden dich andere tatsächlich sehen? Sei dabei ehrlich zu dir selbst.

    Wenn du Mitarbeiter, Mitarbeiterin oder Führungskraft bist, dann suche dir einen Mentor oder einen Coach. Dieser kann auch intern im Unternehmen sein. Es sollte jemand sein, zu dem du Vertrauen hast und der dir ehrliches Feedback gibt.

    Du wirst sehen, dass du besser bist, als du selbst denkst.

    Und vor allem klopfe dir auch mal selbst auf die Schultern. Auch wenn es dir schwerfallen sollte. Mit der Zeit wird das einfacher. Du darfst dich auch mal selbst loben. Das ist ok.

    Dirk Krause
    Vertriebscoach und Mentaltrainer